Montag, 30. Mai 2011

Häuslebauer im Schutzgebiet

Seit vier Interviews und sieben Tagen befinden ich mich bereits in Klaipeda, mein Untersuchungsobjekt ist der naheliegende Pajūrio regioninis parkas (Seaside Regionalpark)
Wo hast du deinen Kopf?  Plakataktion (10x4 Meter) in der Innenstadt von Klaipeda - kostenlos, weil der Werbeflächenmieter bei Leerstand eine Strafe hätte zahlen müssen

Die Situation im Seaside Regionalpark ist schon auf den ersten Blick eine völlig andere, als im Slitere NP:
Mit der drittgrößten Stadt Litauens im Süden – Klaipeda – und dem beliebtesten Sommerort der Litauer im Norden (Auch wenn es keine Insel ist, so hat es doch gewisse Ähnlichkeiten mit Sylt) – Palanga, liegt der Park alles andere als im Niemandsland.
Da Litauen eine Küstenlänge von 99 Kilometern auf 3,1 Mio. Einwohner hat (Vor zehn Jahren war es noch eine halbe Million mehr) bleibt nicht viel Raum, der ungenutzt ist. Auch der Regionalpark wird genutzt - und das immer mehr.

Der Park liegt im sogenannten „Kleinlitauen“, ein Gebiet, das lange zu Preußen gehörte. Hier lebten Deutsche und Litauer zu ungefähr gleichen Teilen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden – unabhängig der Nationalität – etwa 95% der Einwohner umgebracht oder in Gulags geschickt und das Gebiet zu einem militärischen Sperrgebiet erklärt.
Im Jahr 1992 wurde dann der Park eingerichtet, allerdings ohne eine Verwaltung – da in diesem Gebiet kaum Menschen lebten und das Land demnach zu mehr als 90% dem Staat gehörte, gab es keine Probleme mit Nutzungskonflikten und die Natur konnte tun, was sie wollte.
Die Verwaltung wurde erst im Jahr 97 etabliert, als abzusehen war, dass es irgendwann zu einem erhöhten Konfliktpotenzial kommen könnte, was dann auch geschah.
Umgestürzte Bäume auf einem der Wanderwege im Park - nicht einfach weggeräumt, sondern als Element mit einbezogen. Zur Freude vieler Insekten, die Totholz zum Fressen gern haben
Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurde von einer neuen Regierung ein neues Gesetz verabschiedet. Dieses Gesetz sah vor, dass Anwohner Land im Park kaufen konnten – und sozusagen über Nacht kamen viele tausend neue Anwohner hinzu, in einigen Einfamilienhäusern waren auf einmal 40 oder 100 Leute gemeldet. Diese neuen Anwohner wollten natürlich nur eines: Land kaufen.
Und das taten sie auch fleißig und so blieben nur noch etwa 20% in staatlicher Obhut. Und als ob das nicht schon genug wäre, so kommt noch hinzu, dass diese Verkäufe von größten Teils korrupten Beamten getätigt wurden, die ganz genau wussten, dass nicht alles Land, was verkauft werden kann, auch tatsächlich Bauland ist. 
Vandalismus im Park - viele Schilder werden zerstört, Holz wird geklaut. Alle englischen Texte und Zeichen der EU werden rausgeschnitten - vermutlich von Nationalisten
Die besten Stücke wurden nur an Leute verkauft, die auch wirklich viel Geld zahlen konnten – direkt in die Tasche des Beamten hinein. Und, um das Glück abzurunden, gab es auch noch die Option, dass man Land tauschen konnte. Wer 50 Hektar in der Nähe von Vilnius oder Kaunas besaß, konnte das Land eintauschen – natürlich nicht eins zu eins, sondern an der agrarwirtschaftlichen Tauglichkeit des Landes gebunden. Und da große Teile des Pajuris ehemalige Dünen sind, kann man sich ausrechnen, dass dieses Land als Acker nicht viel Wert war. 
Bebauung in der "Recreational-Zone" - hier darf touristische Infratsruktur gebaut werden
Nur sind nicht alle Häuser für die Vermietung vorgesehen.

Und auf diese landwirtschaftliche Nutzung hatten es die großen Investoren auch nicht abgesehen, statt dessen wurde das Land parzelliert und gewinnbringend weiter verkauft. Um zum schönen Schluss dieser Posse zu kommen: Die Leute, die wirkliche Einwohner des Gebietes waren, gingen weitgehend leer aus, während sich die Investoren die Hände rieben und Millionen Gewinne einfuhren. 
"Grundstück zu verkaufen" - diesen Flecken sollte man nicht kaufen, außer man möchte darauf campen. Das hier gebaute siebte Haus auf dieser Parzelle musste wieder abgerissen werden - nur sechs waren erlaubt. Hartes Durchgreifen bei illegaler Bebauung

Windiger Baulandverkauf im Naturschutzgebiet? Das kenne ich schon aus dem Slitere, allerdings mit einem kleinen Unterschied: Wer im Pajuris kein gutes Land abbekam und sein Häusle nicht oder nur unter sehr strengen Auflagen bauen konnte, der war auf die korrupten Beamten und die Regierung sauer – daran entluden sich heftige Diskussionen der Gesellschaft und nun sind diejenigen, die kein Bauland im Pajuris haben, enge Verbündete der Regionalparkverwaltung. Beide wollen, dass der Park auch für die Allgemeinheit offen steht und nicht nur für die oberen Zehntausend, die hier Land erwerben konnten. 
Entkusselte Fläche - auf 500ha wurden Bäume und Sträucher entfernt, für ein vielfältigeres Biotop

Die Situation im Slitere ist dagegen noch eine andere, hier gibt es nicht so viel taugliches Bauland, jedoch ist das Gebiet der ehemaligen „livonischen Küste“ ein beliebtes Sommerhausrevier für die Highsociety Lettlands.
Wenn hier ein Normalsterblicher schlechtes Bauland kauft, dann entlädt sich die Wut nicht an den windigen Geschäftemachern, nein, sondern die Leute sind sauer auf die Nationalparkverwaltung und die „stupid laws“, die alle abgeschafft gehören – und die Nationalparke sowieso.
Und um dem Bogen zur Korruption zu schlagen: Die große Zeit der systematischen Korruption und Vetternwirtschaft ist noch lange nicht vor rüber:

Man kann nur hoffen, dass die Vernunft irgendwann siegt – aber bis dahin kann noch viel Zeit vergehen und vielleicht gab es bis dahin auch im Slitere schon den großen Ausverkauf.
Die Akropolis - ein riesiges Einkaufszentrum in Klaipeda, welches mir und einigen anderen noch von der Exkursion bekannt ist

Sonntag, 22. Mai 2011

Zehn Stunden, 51 Minuten und 22 Sekunden

Seit Freitag früh bin ich in Riga – exakt um 0:04 habe ich gemeinsam mit meiner Mitfahrgelegenheit und Interviewpartner in Personalunion die Stadtgrenze erreicht - nach zweieinhalb Stunden Fahrt, 90 Minuten Interview und drei Schrecksekunden (Der Wildbock hatte genau so viel Angst wie wir, das konnte ich aus dieser Entfernung, nein Nähe, ganz genau erkennen) erreiche ich mein Quartier für drei Tage.

Zuvor hatte ich aber an meinem aller letzten Abend im Slitere noch zwei Begegnungen mit der örtlichen Fauna. Mit Ixodes Spec. hatte ich zuvor bereits drei Begegnungen, doch hatte ich bisher keine großen Probleme, mich dieses Ektoparasiten zu entledigen. „Safecard“ ansetzen, schieben und ziehen, Zecke ist raus.
Eigentlich. Das Problem dieses Mal war, dass dieser Artvertreter solch ein kleines Exemplar war, dass die tolle Karte keinen Halt bekam. Was macht man dann? Tja, das einzig mögliche: Abwarten, Tee trinken und mitsamt Zecke ins Bett gehen.
So richtig schlafen konnte ich aber nicht. Immer dieses Gefühl, dass da irgendetwas nicht stimmt, sich acht Beine bewegen, mein Blut in falsche Hälse gerät, der Holzbock langsam größer wird... Schöne Träume!
Am nächsten Morgen? Neuer Versuch! Aber was hat es genützt, mein Haus- errm.. Körpertier, hat nicht fleißig genug gesaugt und ist nicht größer geworden, die Safecard rutscht immer noch immer wieder ab, und beim dritten Versuch passiert's.
Körper ab, Kopf dran - Scheiße, und nun? Kopf dran lassen? Weiter saugen lassen? Pflaster draufkleben und hoffen, dass alles schon wieder gut wird? Keine tollen Alternativen....Tja, da fällt mir ein, genau in diesem Moment, fällt mir ein, dass ich letztes Jahr bereits eine ganz kleine Zecke hatte und mir Vilnis sein „device“ für diese Viecher gezeigt hat. Schublade auf, Device raus, Kopf raus – alles einfach. Aber wieso, ja wieso konnte ich darauf nicht VOR dem Schlafengehen kommen?

Nun, vielleicht liegt es einfach daran, dass ich vor der Entdeckung des Feindes ungefähr zehn Meter von einem Biber entfernt gestanden hatte. 
Biberhabitat (nein, nicht das Saunahaus)
Direkt vor der Haustür befindet sich ein Teich mit direktem Anschluss an den Wald (.. und an die Wasserleitungen des Hauses...) und dort wachsen kleine Leckerbissen für den Nager – junge Birken. Nachdem ich einen ganz heißen Tipp aus meinem Umfeld bekommen hatte wollte ich einfach mal sehen, ob es stimmt und sich das Testimonial meiner Zahnpastamarke wirklich so nahe an das Haus herantraut – trotz Tina der Wachhündin, die die meisten Nächte draußen Wache hält und jeden fiesen Eindringling vergrault. Tina aber hält heute nichts von Wache schieben, sie schläft tief und fest - braver Wachhund!
Wachhund Tina beäugt Minka beim Zerlegen eines gefangen Vogels - Wilder Slitere! ;)
Ich stelle mich also in der Dämmerung nach draußen und warte.... warte..... genieße die Zeit, warte..... warte.... und nix passiert.. Dann auf einmal höre ich – keine zehn Meter vor mir, am Ufer des Teichs, ein Scharren – der Mistkerl war die ganze Zeit da! Als ich mich für ihn in Luft aufgelöst habe treibt er munter seine Spielchen und scharrt und knarrt – einfach genial! Erst als ich – trotz besseren Wissens (es war schon sehr dunkel) – den Kameraauslöser betätige verschwindet er mit einem lauten „platsch“ im See und ward nie mehr gesehen. Mit diesem tollen Gefühl gehe ich stark euphorisiert in die Wohnung und entdecke die Zecke.

Touristische Hotspot-Karte: Nord-Kurland
Touristischer Hotspot: Dundaga Pils (Castle, Burg, Anwesen)
Nun, gerade eben, habe ich endlich das sechste der bisher sieben durchgeführten Interviews fertig „rohtranskribiert“ (für eine Stunde Audio benötige ich momentan noch 3 bis 4 Stunden). Ich habe nun sieben Interviews durchgeführt, 459 MB Daten in meine Dropbox geladen *link zur Box*, zehn Stunden, 51 Minuten und 22 Sekunden Aufnahme gesammelt. Slitere ist damit beendet. 
Infozelt beim "Meza ABC" (Wald ABC) nahe Kuldiga
Ich habe mit sieben sehr unterschiedlichen Menschen gesprochen, habe sie näher kennengelernt, habe versucht ihre Arbeit zu verstehen, habe versucht zu verstehen, wieso die Situation im Slitere so ist, wie sie ist: Im Aufbruch begriffen.
Bis vor zwei, drei Jahren war die Situation sehr angespannt, Naturschützer gegen alle anderen. Gegen die Anwohner, die seit 70 Jahren hier leben, gegen die Jüngeren, die hier etwas aufbauen wollen, gegen die reichen Landbesitzer, die vornehmlich aus Riga kommen und sich hier Sommerhäuser gebaut haben – viele sogar legal.
Diese Fronten sind immer noch da, aber zumindest mit den Leuten, die hier das gesamte Jahr über wohnen, ist man nun im engeren Kontakt und arbeitet gemeinsam an der Umsetzung der zweiten Ausgabe der Celotajs Diena – der Travellers-Days. Im letzten Jahr waren etwa 2000 bis 4000 (Ja, diese Angaben habe ich bekommen...) Leute unterwegs – an einem Tag!
Man beachte: Im gesamten Slitere leben gerade einmal 1100 Menschen, davon 1000 in Kolka. Also ein großer Erfolg, der nun wieder erfolgen soll. Dieses Mal an zwei Tagen, damit die Menschen auch hier übernachten und mehr als nur „ein gutes Gefühl“ in der Region bleibt. Alle sprechen bereits von einer „Tradition“, ich würde das so nicht sagen, würde mich aber freuen, wenn die zweite Ausgabe ein Erfolg wird und es noch eine dritte geben kann.
Dann komme ich vielleicht auch wieder zurück in den schönen Slitere – ich würde mich sehr freuen.

Hier noch ein paar Impressionen "Slitere aus der Vogelperspektive" - Mit bestem Dank an Vilnis Skuja für die Photos!







Was sind das wohl für Strukturen im Moor? Moor-quadrate als Landemarken für Aliens?  Nein, das Moor ist vor knapp zwanzig JAhren noch Wald gewesen, der in einem großen Waldbrand seind Ende Fand. Die Schläge sind aber immernoch zu erkennen - Gute deutsche Forstarbeit

Samstag, 14. Mai 2011

Recherchetour für meine Bachelorarbeit - Erste Eindrücke

Mine Woche ist nun bereits vorüber, Zeit, erste Impressionen festzuhalten.
Ostseefähre im Sonnenuntergang
Es beginnt alles mit einer durchaus interessanten Fährfahrt von siebenundzwanzig ein halb Stunden, die mich mich wieder nach Ventspils in Lettland bringt. Ein paar interessanter Bilder, dem einem oder anderen Gespräch mit einem Mitreisenden machen diese Fährfahrt schon zu einem Event der extra Klasse, wenn ich an die Fahrt von Ventspils nach Travemünde im letzten Jahr denke. Die beiden Erinnerungswürdigen Elemente dieser Fahrt waren: sturmbedingtes Schaukeln und schallend lallende, betrunkene baltische Trucker. Der Unterschied dürfte jedem einleuchten.
Ventspils bei Nacht
Nach diesen siebenundzwanzig ein halb Stunden gehe ich um 10:15Uhr Ortszeit – begleitet von großen Baumaschinen, die abgetäut, angeworfen und rausgefahren werden, von der Fähre in die menschenleere Gangway. 
Einsame Gangway
Von dort öffne ich in froher Erwartung die Tür zum Terminal. In froher Erwartung, Vilnis zu sehen, der mich in den SlitereNP bringen wird. Was erblicke ich also hinter der Tür? Richtig, weitere gähnende Leere. Nur eine Wachfrau sitzt hinter Glas und schaut mich fast schon staunend an.
Doch davon lasse ich mich ja nicht unterkriegen, vielleicht steht er draußen an einem der beiden Eingänge. Auf zu Eingang 1! - Nada. Auf zu Eingang 2! - Niente.
Hmm.. perfekter Start.

Ich laufe einmal ums Haus und kein Vilnis weit und breit, nur ein paar parkende Autos, die aber alle verlassend sind. Also suche ich mir ein Plätzchen an dem ich meine Rucksäcke abstellen und mein Handy in Betrieb nehmen kann, um zu schauen, ob ich irgendwelche SMS oder Anrufe habe. Vielleicht hat er sich ja gemeldet - so denke ich mir - dass er 'nen Ticken später kommt, weil er einen umgestürzten Baum aus dem Weg räumen muss, er einen Platten auf der Schotterpiste bekommen hat oder Sonstigen, auf dieser Strecke nicht unwahrscheinlichen Dingen.

Doch stattdessen begrüßt mich mein Handy mit dem wunderbaren SOS-Zeichen. Nur Notrufe möglich. Klasse, mein Handy hat keinen Empfang. Es werden zwar einige Netzanbieter angezeigt, aber auf die kann nicht zugriffen werden. Meine erste Vermutung ist gleich, dass bei der Sperrung des Internets (EU-Roaming kommt wirklich nicht günstig), anscheinend das ganze Handy fürs Ausland gesperrt wurde – feine Sache. Allein in Lettland, mit keiner wirklichen Kontaktmöglichkeit. In richtig gut gelaunter Stimmung lächle ich gezwungen jedes Auto an, dessen Scheinwerfer auch nur ein bisschen Licht auf mich werfen. Leise (oder auch etwas lauter) brabble ich Flüche vor mich hin und überlege, in welche Richtung die nächsten Hostels liegen.
Dann auf einmal öffnet sich die Tür eines weit entfernt parkenden Autos und ich entdecke Vilnis, der mit Handy am Ohr telefoniert. Er hatte schlicht und ergreifend gedacht, meine Fähre käme erst noch an und war daher im Auto telefonierend sitzen geblieben... Puh... Der erste Schreck ist überwunden, es geht zu meiner ersten Station, dem Slitere NP!!
Das Haus in Silini
Am Freitag werde ich dann gleich mal zur Bodencrew für einen Heißluftballon beordert, das Video dazu gib es hier in schlechtest möglicher Qualität, da allein der Upload von diesen 23Mb 53Minuten dauerte:


Meine Vermutung stellt sich übrigens als richtig heraus, das Handy wurde vollends gesperrt. Wieso? „Interne, technische Probleme“, so die Antwort des Kundenbetreuers. Nach einigen Mails hin und wenigen zurück funktioniert es nach fünf Tagen wieder. Gut, dass solche Probleme nur dann auftreten, wenn man es auch verschmerzen kann. Sich im gewohnten Umfeld befindet und weiß, wie man von a nach b kommt. Aber immerhin: Ende gut, Endergebnis ebenso.

Apropos Ergebnis: Ich habe nun, nach genau einer Woche im Slitere, mit den vier wichtigen – für mein Vorhaben – Leuten aus der Verwaltung des Nationalparks gesprochen und einen sehr guten Einblick, in deren Kommunikations- und Organisationsstruktur erhalten. Heute kommen dann – wenn alles klappt – ein paar weitere Stakeholder dran, die sich zufälliger Weise alle für die Vorbereitung der Travellers-Days im Juni ganz in der Nähe treffen. Gutes Timing, aber hätte Andra das nicht sehr sehr zufällig im Nebensatz erwähnt, hätte ich davon nie erfahren.
Photoausstellung im Roja-Museum
Leider kam ich bisher nur zum Sichten von einem Interview, aber die Restlichen werden dann am Wochenende in Angriff genommen. Ich bin hier in einige Arbeitsabläufe wieder eingespannt, als ob ich ein Praktikum absolviere, aber das stört mich momentan aus folgenden Gründen nicht:
Erstens: So komme ich tief in den Wald! 
Some lizzard
Verlassene Kaserne im Wald
Zweitens: Durch „Daily-Work“ bekomme ich vertiefende Einblicke in die Organisation der Kommunikation hier, wenn man zum Beispiel auf einen Anwohner stößt und die Art und Weise des Umgangs und auch ein paar Brocken des Themas übersetzt bekommt.

Eine Win-Win Situation, in der ich nicht nur als „obstacle“ wahrgenommen werde, sondern auch etwas dazu beitragen kann (wenn auch im sehr Kleinen), dass die Dinge laufen.
Denn ein Problem ist hier allgegenwärtig: Personalmangel. Waren im Jahr 2004 noch 30 Personen allein für den Slitere beschäftigt, sind es nun nunmehr 18 Menschen, die nicht nur den Slitere, sondern einen großen Teil von Kurland (Kurzeme) betreuen.
Finanzkrise und Generalkürzung von 30% und mehr lässt grüßen Da bleibt für Extraaufgaben nicht viel Zeit und ohne das BalticGreenBelt-Projekt wären die meisten Publikationen gar nicht finanzierbar. Aber das ist natürlich nur ein Teil der Problematik, Weiteres schildere ich eventuell später oder eben in der BAC (Danke Marcel für diese doppeldeutige Kurzform).

Panorama vom Slitere Leuchttum
Habe ich übrigens bereits erwähnt, dass es bisher durchgehend 22°C warm war? Im Schatten?!? T-Shirt und kurze Hose sind also angesagt, die lange Unterwäsche habe ich gleich mal eingemottet, wobei sich heute das erste Mal Wolken am Himmel zeigen. Dabei wollte ich am Wochenende mal den unendlich langen und einsamen Strand genießen ;-)
Aber was soll man machen?
Alles wird gut!
Ganz bestimmt.


(Dieser Text beruht auf den Ereignisse von Mittwoch, 04.05 bis zum Donnerstag, den 12.05 – Weiteres möge bei Zeiten folgen)

Mittwoch, 5. Januar 2011

Homepage GEKO

Liebe Leute,
ich mache mal ein klein Wenig Werbung für unsere Hochschulgruppe Geko.
Geko steht für "Gruppe für erneuerbare Energien, Klima und Ökologie an der CAU", Geko ist da etwas einfacher ;)
Die Homepage ist nun unter www.geko.uni-kiel.de zu erreichen - würde mich über Kommentare und Feedback natürlich freuen :)

Sonntag, 24. Oktober 2010

See ya!

Hätte ich vor acht Wochen ein Bild vom Baltikum zeichnen müssen, so wären mir zwar die groben Umrisse gelungen, aber wäre dieses Bild ohne Leben, ohne Hintergründe geblieben, ein mehr oder weniger schwarzer Fleck auf der Landkarte.

Jetzt, gerade einmal wenige Wochen später, muss ich gestehen, dass ein Teil meines Herzens dort geblieben ist, dort, im Wald von Slitere. Am Anfang trat mir der Wald noch als grüne Hölle entgegen. Als ich meine ersten Gehversuche alleine abseits aller Wege machte, mich im Gestrüpp verhedderte und Myriaden Mücken nach meinem Blut trachteten und nicht wenig davon abzapfen konnten. So gesehen ist wirklich ein nicht unbeträchtlicher Teil von mir dort geblieben und dient nun kommenden Generationen.

Doch diese Sicht hat sich schnell gewandelt. Klar, die Mücken und ich wurden keine Freunde und auch die Hirschlausfliegen hatte ich nie gern im Zimmer, aber stehen sie doch auch dafür, dass der Wald nahezu unendlich viel Leben beherbergt. Ein Waldspaziergang mit ein paar Viechern in der Luft, dafür aber die Ahnung, dass da irgendwo ein Rothirsch, Dachs, Bieber oder gar Wolf und Luchs sein könnte, ist mir um einiges Lieber, als durch "Leere Hallen" zu laufen.

Doch sagenhafte Natur allein war es nicht, der ich begegnete. Es waren auch viele tolle und interessante Menschen, an deren Leben ich ein Wenig Teil haben durfte. Dafür geht ein ganz ganz großes Dankeschön an alle, deren Weg ich für kurz oder lang kreuzte.


Auch die Arbeit in der Nationalpark-Verwaltung hat mir Spaß gemacht. Doch nicht nur das, auch die Einblicke in Arbeitsabläufe und vor allem die intensive Einführung in das lettische Naturschutzsystem werden mich und mein Denken sicherlich noch lange begleiten.
Einerseits ist das lettische Naturschutzgesetz dem deutschen um einiges voraus, andererseits wird es systematisch nicht eingehalten – mit Druck von ganz oben. Und da die lettischen Forstbetriebe sich so viele und so große Harvester gekauft haben, dass sie kaum noch Wald haben und nun gerne die Nationalparke anpacken würden (die FSC-Zertifizierung haben sie schon verloren), sind alle froh, dass es das Baltic-Green-Belt Projekt gibt.

All diese Eindrücke nehme ich nun mit in meinen Alltag, der morgen wieder beginnt. Mal schauen, was diese Woche so bringt, das kann man ja nach einer längere Auszeit vorher nie genau wissen.
Eines weiss ich aber ganz sicher:
Sollte ich ein paar ruhige Momente haben, vielleicht sogar in der Nähe eines Baumes (davon gibt es ja auch ein paar Wenige hier), dann werden meine Gedanken den Weg gen Osten nehmen und sich im Wald von Slitere verfangen. 
Und ja, auch das stete Summen wird wieder zu hören sein – gehört ja schließlich dazu.
Ankunft in Travemünde (Den Koffer trage ich nur für einen anderen Passagier)



Sonntag, 17. Oktober 2010

Kurzer Bilder-Nachtrag

Marderhunds-Raabe Möwe im Seitenprofil

Möwes Voiliere - über dem Kopf ist noch die obere Begrenzung des alten Käfigs zu sehen,                                                                auf dem der neue aufgesattelt wurde

Wasserholen an heimischer Quelle - 100 Liter in einer Nacht

Von mir kartierter Baum - mitten im Wald

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Flieg, Möwe, flieg!

Es geht für mich nun langsam dem Ende zu und die letzten Tage habe ich vor allem damit verbracht, meine Arbeiten hier zu beenden und die Daten aufzubereiten.
Am Montag war ich für ein kurzes, einstündiges Intermezzo in der Schule von Dundaga, um den angehenden Abiturienten etwas von good old Germany, dem Schulsystem, meinem Aufenthalt in Ghana sowie vom Baltic-Green-Belt zu erzählen. Also eine kurze Geschichte von allem und nichts, das sich mein Leben nennt. Nachdem ungefähr 40 Schüler den Raum verließen begann für mich mental bereits der Heimweg.

Aber eines war noch zu tun: Möwe eine Voiliere zu bauen (bzw. Vilnis dabei zu zusehen und mit blöden Kommentaren zu nerven ;)

Möwe ist eigentlich ein Marderhund, aber auch nicht so richtig. Möwe lebt nur in einem Käfig, der für einen Marderhund gebaut wurde. Allerdings ist Möwe nicht irgendeine Möwe, eigentlich gar keine – es ist nur ein Name (vom lettischen übersetzt, um es meinen deutschen Lesern etwas anschaulicher zu erklären). Vilnis sagte immer, dass Möwe eigentlich wie ein Marderhund sei, weil Möwe nichts anderes kennt, als den niedrigen und kleenen Marderhundkäfig. Aber wenn ich nun Möwe und Vilnis beobachte kommt sie (oder er? - who knows; mein Rat war aufschneiden, fand Vilnis aber nicht so lustig ;-) mir eher vor wie eine Katze. Oder hat irgendwer schon einmal einen Raben gesehen, der sich liebend gerne das Kinn kraulen lässt???

Nun denn, Möwes Himmel hat sich nach zwei Tagen Arbeit, in der Höhe vervierfacht. Meine Hauptaufgabe war es, die Fichten zu fällen und als Gegengewicht beim Transport mit dem Pickup-Truck zu fungieren – meine schwerste Aufgabe hier.

Noch hat sich Möwe an die neue Freiheit nicht gewöhnen können, vielleicht plagten sie Alpträume, in denen sich der Himmel öffnet, oder er/sie/es will einfach noch nicht.
Aber schaun mer mal, wer weiss schon, was die Zukunft bringt?

See you soon in Germany, ich werde von zu hause ein kleines oder größeres Fazit schreiben,
Erik